Home  >  Blogs  >  Marktinformationen  >  eVaR - das Risikomaß der Zukunft?
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SchwachSuper 

Benoît Mandelbrot, sicher einer der bedeutendsten Mathematiker unserer Zeit, kritisierte bereits in den 60er-Jahren die Verwendung der Normalverteilung als Modell der Verteilungsfunktion der Renditen von Finanzprodukten. Bei der Analyse von Baumwollpreisen entdeckte er Skalierungsgesetze, die auf statistisch kaum herleitbare Ausnahmen schließen lassen, die Nassim Taleb später in seinem Welt-Bestseller als "Schwarze Schwäne" bezeichnete.

Tatsächlich kommen solche Extrem-Ereignisse wesentlich häufiger vor es die klassische Annahme unter der Normalverteilung vermuten lässt. Dr. Wilhelm Berghorn, Partner & Gründer von Mandelbrot Quantitative Research, beschreibt dies auf seiner Homepage anhand der jüngsten Ereignisse infolge der Freigabe des Wechselkurses durch die Schweizerische Nationalbank. Die Normalverteilungsfunktion bildet bereits die Extremereignisse eines 10-Jahres-Zeitraumes überhaupt nicht mehr ab. Dabei schwankten bereits in diesem vergleichsweise kurzen Zeitraum die täglichen Ergebnisse zwischen den Extremen von -3,01% bis +8,41% (deshalb die entsprechend ausgeprägte Skalierung in der Grafik). Aber natürlich ermöglicht es die Wahrscheinlichkeits-rechnung, die über die in der Grafik sichtbaren Ereignisse zu quantifizieren.

Die nach der Normalverteilungsfunktion ermittelte Wahrscheinlichkeit eines Tagesgewinns bzw. -verlustes besagt, dass mit einem Tagesgewinn des Schweizer Frankens von mehr als 2% nur alle 439 Jahre zu rechnen ist. Die Wahrscheinlichkeit eines Tagesgewinns von 3% hingegen würde im Umkehrschluss nahelegen, dass ein solcher Verlust nur alle 104,5 Millionen Jahre denkbar ist. Ausgerechnet in den letzten 10 Jahren ist nun ein Ereignis mit einer derart geringen Wahrscheinlichkeit eingetreten. Dabei fragt die Mathematik nicht danach, aus welchem Grund ein solches Ereignis eintritt und wie unwahrscheinlich wiederum das auslösende Ereignis ist. Wenn nun einmal in mehr als 100 Millionen Jahren mit einem Tagesgewinn respektive -verlust von 3% oder mehr gerechnet werden muss, wie unwahrscheinlich ist dann wohl ein Tagesgewinn von 18,39%? Es würde die Kapazität dieses Blogs deutlich überfordern, die Zahl der Jahre, die man nach normalverteilter Wahrscheinlichkeit auf ein solches Ereignis warten müsste, als natürliche Zahl abzubilden. Tatsächlich mussten wir aber gar nicht lange warten, denn bereits im Jahr 1 nach dem 10-Jahres-Zeitraum, in dem eine 3%-ige Tages-Veränderung Realität wurde, geschah das völlig Undenkbare: Die Freigabe des Schweizer Franken-Kurses durch die SNB bescherte der Währung einen Tagesgewinn von sage und schreibe 18,39%.

Schon häufig haben wir uns gegen Risikomessung auf Grundlage der Standardverteilung oder von volatilitätsbasierten Kennzahlen ausgelassen, denn das obige Beispiel gilt natürlich sinngemäß genauso für die Aktienmärkte oder sonstige Wertpapiere oder auch Fonds. Schon lange schenken wir VaR-Berechnungen (Value at Risk) keine Beachtung mehr, weil es die statistisch eigentlich gar nicht denkbaren, jedoch in der Praxis vergleichsweise häufig auftretenden extremen Ereignisse sind, welche ganze Depots ruinieren können. Die Mischung von Fonds, die - konzeptionell bedingt - ihre Extremverluste zu unterschiedlichen Zeitpunkten erleiden, haben wir zur Mehrwertphasen-Strategie entwickelt.

Besondere Freude bereitete uns das persönliche Zusammentreffen mit Dr. Frank Schmielewski in der vergangenen Woche. In den 90er-Jahren war er bei der Reuters AG maßgeblich an der Entwicklung des Value at Risk (VaR) beteiligt. Dieses Risikomaß etablierte sich weltweit und ist heutzutage bspw. fixer Bestandteil des Fondsreportings an die BaFin oder andere nationale Aufsichtsbehörden. Dass der Entwickler dieser Kennzahl höchstpersönlich spätestens seit der Finanzkrise einräumt, dass diese Kennzahl zur Bestimmung des tatsächlichen Risikos untauglich ist, interessiert offenslchtlich kaum. obwohl immer mehr Fachleute berechtigte Zweifel anmelden. Das Wunderbare am VaR sei, dass bspw. die BaFin die Werte mit Grundkenntnissen in Excel nachrechnen könne. Dies sei wichtiger als die Frage, ob die Berechnungsmethode an sich stimmig ist.

Dr. Schmielewski hat sich in den vergangenen Jahren mit der Katastrophenforschung beschäftigt. Hier kommt es nicht darauf an, die Deichhöhe danach auszurichten, wie der historisch höchste Wasserstand bei einer Sturmflut war sondern vielmehr darauf, den Deich hoch genug zu bauen, damit auch der nächste Rekord-Wasserstand gedämmt werden kann. Aus der Katastrophenforschung hat er eine Kennzahl hergeleitet, die er sinnigerweise eVar (extreme Value at Risk) genannt hat. Vergleicht man die Berechnung des eVaR mit der VaR-Ermittlung für den gleichen zugrunde liegenden Sachverhalt, so tun sich geradezu Abgründe auf. Während die VaR-Berechnung (siehe Beispielgrafik) davon ausgeht, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mit 99,9%-iger Wahrscheinlichkeit kein Verlust von mehr als 3,25% eintritt, kann der eVaR für den gleichen Zeitraum mit gleichhoher Wahrscheinlichkeit nur konstatieren, dass der Maximalverlust knapp unter 6% liegt - ein Unterschied, der sich in der Normalverteilungsbetrachtung wahrscheinlich in Dimensionen von Abermillionen Jahren manifestiert. Die empirische Betrachtung der tatsächlichen Ereignisse verschiedenster Natur zeigt sich übrigens erstaunlich deckungsgleich mit der entwickelten Formel (grüne Linie im Vergleich zur rot markierten eVaR-Berechnung).

Auch wenn bislang noch wenig vom eVar zu hören war, so gibt es bereits eine große und ständig steigende Zahl der Befürworter. Namhafte Banken und Fondsgesellschaften berechnen ihre Risiken inzwischen nach dem eVaR-Ansatz und beim Management von manchem bekannten Fonds hat die Arbeit von Dr. Schmielewski bereits Einzug gehalten. Derzeit werden nun erstmals zwei Fonds (von verschiedenen Anbietern) mit unmittelbarem Bezug zum eVaR im Fondsnamen auf den Markt gebracht. Eines dieser Fondskonzepte verfolgen wir bereits seit mehr als einem Jahr, da das Konzept im Rahmen eines Index bereits seit eineinhalb Jahren umgesetzt wird. Das andere Fondskonzept haben wir detailtief studiert und sind begeistert, weil der Ansatz - und die Praxis wird es hoffentlich bestätigen - exakt unserem Fokus auf Verlustvermeidung bzw. -minimierung entspricht. Details dazu - sowie weitere Fonds - werden bestimmt bald (und zu Recht) populär werden. AECON-Partner erfahren in Kürze mehr im Login-Bereich.