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SchwachSuper 

Seit der Finanzkrise scheinen die negativen Schlagzeilen über Banken - und unter ihnen subsummiert alle Finanzdienstleister - aus den täglichen (Wirtschafts-)Nachrichten gar nicht mehr wegzudenken. Verkauf gebündelter Schrottforderungen, toxische Wertapiere, die Gründung von "Bad Banks", Zinsmanipulationen, Goldpreismanipulationen und Währungamanipulationen ... die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden.

Und auch der graue Kapitalmarkt produziert regelmäßig seine Skandale. Phoenix, Madoff und Kiener (K1), Insolvenz von ganzen Schiffsflotten, Veruntreuung bei Wölbern und S&K und nun INFINUS. Die Regulierung der Branche soll Anlegern helfen. Tatsächlich sind auch neue Regeln kaum geeignet, Anleger zu schützen. Im Gegenteil: Anleger fühlen sich - im Einvernehmen mit ihren Beratern - von den Vorschriften der FinVermV gegängelt und drangsaliert. Der Betrug hingegen kann ungehindert weiter gehen ... er muss eben künftig nur ordentlich dokumentiert werden. Das - formal unabhängige - INFINUS-Haftungsdach darf seit kurzem wieder weiterarbeiten. Schließlich haben die gebundenen Agenten des Haftungsdaches ja nur Anleihen vermittelt und im Beratungsprotokoll ordentlich auf die damit verbundenen Risiken hingewiesen. Die Entschädigungseinrichtung deutscher Wertpapierunternehmen ist hier offensichtlich nicht gefordert, den Schaden zu ersetzen und ob Versicherungen einspringen müssen, wenn die Dokumentation ordentlich erfolgt ist, scheint mehr als fraglich. Anlegerschutz? Ja wo und wie denn?

Faiererweise muss man allerdings hinzufügen, dass das Phänomen des Anlagebetruges ja nun wirklich nichts Neues ist. Bereits vor hundert Jahren trieb Charles Ponzi sein Unwesen und versprach 50% Rendite in 45 Tagen und zahlte Anlegern, die auf Auszahlung bestanden, das angelegte Kapital nebst Zinsen aus dem frischen Geld neuer Anleger zurück. Vergleichsweise bescheiden nahm sich in Relation dazu das Zinsversprechen von nur 80% pro Jahr aus, welches der European Kings Club (Damara Bertges) offerierte. Bei Ambros (Heinz Hensley-Piroth) und deren Vertriebsgesellschaft VBS verschwanden vor rund 25 Jahren ca. 600 Millionen D-Mark mit getürkten US-Optionsgeschäften. Mit Zinsdifferenzgeschäften hingegen lockte Barbara Merkens in den 90er-Jahren. Schaden: Mehr als 100 Millionen D-Mark. Eine Entschädigungseinrichtung gab es seinerzeit noch nicht. Und natürlich haben Banken auch damals schon (nur eben unentdeckt) Kurse und Zinsen manipuliert und zudem - erst später verbotene - Insider- oder Timinggeschäfte (bspw. "Late-Trading") betrieben.

Bei nüchterner Betrachtung muss man zugestehen, dass heutzutage vieles als Verbrechen aufgedeckt wird, was früher mangels entsprechender gesetzlicher Regelung stillschweigend geduldet werden musste. Den Anlegern nutzt dies - wie der Fall INFINUS zeigt - meist wenig. Manipulierte Zinssätze, Kurse und Währungen kosten die beteiligten Banken inzwischen Milliardenstrafen. Ein den Anlegern oder Darlehensnehmern entstandener Schaden lässt sich indes kaum nachweisen. Doch wo Banken Vorteile für sich herausholen muss ja irgendjemandem ein entsprechend hoher Schaden entstanden sein.

Aber es gibt auch Lichtblicke. Die Investmentanlage in öffentlich zum Vertrieb zugelassenen Fonds ist heute eine der sichersten und transparentesten Formen der Geldanlage überhaupt. Wer über einen INFINUS-Mitarbeiter Anleihen der Future Business KG aA zeichnete, hat sein Geld - möglicherweise komplett - verloren. Wenn er jedoch über den gleichen INFINUS-Mitarbeiter ein Investmentdepot eröffnen ließ, so war dieses zu keinem Zeitpunkt gesperrt und er hatte jederzeitigen Zugriff auf seine Geldanlage (INFINUS-Gesellschaften hatten übrigens zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf das in Fonds angelegte Geld und konnten dieses so auch nicht veruntreuen).

Nun hören wir schon das Argument, dass Madoff-Anleger - auch wenn sie in öffentlich zum Vertrieb zugelassenen Fonds investiert haben - bis heute für ihre (vorläufigen) Totalverluste nicht entschädigt wurden, obwohl die Depotbanken offensichtlich gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen haben. Gestern einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten auf die von der EU-Kommision gemachten Vorschläge, nach denen künftig u.a. eine Depotbank für Verlust der Vermögenswerte auch dann haften soll, wenn sie diese einem "Unterverwahrer" ("Sub-Custodian") anvertraut. Hätte es entsprechende Regelungen bereits vor Aufdeckung des Madoff-Betrugs bereits gegeben, so wäre jeder Anleger längst vollumfänglich entschädigt.

Ob also wirklich alles erst jüngst schlimmer geworden ist, sei dahingestellt. Eines scheint sich aber deutlich abzuzeichnen: Der Schaden, der Anlegern und ihren Beratern durch die vollkommen überzogenen Dokumentierungsvorschriften entsteht. dürfte immense Ausmaße annehmen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass bei Banken auf nicht dokumentationspflichtige Anlagen bzw. (vermeintlich) risikoarme Anlagen zurückgegriffen wird. Neuste Zahlen sprechend davon, dass in 19 von 20 Fällen der Kauf einer Aktie ohne Beratung erfolgt. Damit werden zunehmend Journalisten und Internetforen zum Anlageberater, ohne dass es hier irgendeine Regulierung (bspw. eine brufliche Qualifikation) gibt. Freie Finanzdienstleister geben die Beratung kleinerer Depots zunehmend auf, weil eine betriebswirtschaftlich vertretbare Beratung aufgrund der erforderlichen Regulierungsvorschriften überhaupt nicht mehr möglich ist. Die Anlegern hierdurch entstehenden Schäden sind nicht quantifizierbar und können deshalb auch nicht geltend gemacht werden. Aber wir - das Volk - sind es ja gewohnt, dass wir Schäden, die Politiker verursachen, klaglos kollektiv ersetzen. Keine Frage, jeder einzelne Betrugsfall ist furchtbar. Der kollektive Schaden durch eingeschränkte oder verpasste Altersvorsorge wird jedoch die bisherigen Schadenssummen möglicherweise bei Weitem überbieten.