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Die Angst grassiert: Das Internet hat die Anlage- und Versicherungsberatung entdeckt. Eine Welle gerade gegründeter Startups scheint unsere Branche zu überfluten und - einem Tsunami gleich - umzupflügen. Tatsächlich? Folgt man den Medienberichten, so könnte man den Eindruck gewinnen, dass bis vor kurzem das Internet in unserer Branche noch eine Fiktion war. Und nun wird alles anders? Liebe Finanzanlage- und Versicherungsvermittler bleibt gelassen.

Kürzlich führten wir ein Gespräch mit der uns betreuenden Versicherungsmaklerin. Sind die Verträge für Gebäude, Firma, betriebliche Altersvorsorge auf dem neuesten Stand? Passt die Absicherung im Krankheitsfall oder bei Berufsunfähigkeit. Warum ist der höhere Beitrag oft der günstigere, wenn es drauf ankommt? Letztendlich blieb das Gefühl, Für und Wider gut abgewogen zu haben und auf manchen Punkt aufmerksam gemacht worden zu sein, auf den wir selbst gar nicht gekommen wären.

Tag für Tag sind wir involviert in die Beratungen unserer Pool-Kooperationspartner, die hinsichtlich der richtigen Mischung von Fonds im Depot, der Geldanlage in der Dimension von Chance und Risiko, der Erwartungen und Ängste sowie der Ziele der Altersvorsorge und der Wege, diese zu erreichen, beraten. 

Ohne ins Detail zu gehen, können wir uns nicht ansatzweise vorstellen, wie derartige Beratungen parametrisiert werden sollen, um eine auch nur annähernd adäquate Beratung via Internet sicherzustellen. Hier geht es schließlich um mehr als die Frage, welcher Laptop oder welches Handy die besten (tatsächlich immer echten?) Kundenbewertungen in Relation zu seinem Preis hat. Viele, viele Stunden müsste der Internet-Mandant vor dem PC verbringen, um auch all die Fragen über sich ergehen zu lassen, die ihn nicht betreffen oder deren Relevanz er überhaupt nicht erfassen kann.

So werfen die bisherigen FinTech-Angebote bislang eher die Frage auf, ob man derartige "Beratung" nicht gleich "wegregulieren" müsste, weil nicht einmal ein Bruchteil der Vorschriften, die für leibhaftige Berater gelten, Berücksichtigung findet. Warum eigentlich dauern Erstberatungen bei Finanzanlageberatern in der Regel zwei Stunden und länger, wenn man der Website eines FinTech-Anbieters innerhalb von drei Minuten schon einen "individuellen" Anlagevorschlag entlocken kann und nun nur noch das Depot - natürlich online - eröffnen muss?

Hier ein Beispiel, welches der Computer für einen 99-jährigen (!) mit fünfjährigem Anlagehorizont ausspuckt, der geringste Risikobereitschaft signalisiert (ob er tatsächlich weiß, was er will, kann dabei nicht überprüft werden).


Dass die "wissenschaftlich fundierte" Methode zur Errechnung denkbarer Szenarien auf Rendite- und Volatilitätswerten der Assetklassen (in diesem konkreten Fall handelt es sich ausschließlich um Renten-ETF´s) der letzten zehn Jahre beruht, mag den unbedarften Anlageinteressenten beruhigen. Der versierte Finanzanlageberater jedoch dürfte jedoch "Zeter und Mordio" schreien, denn wie über fünf Jahre mit Renten-ETF´s eine wahrscheinliche Rendite von 3,4% p.a. generiert werden kann, wüsste er selbst gerne. Dass diese Wertentwicklung auch im schlechtesten Fall nur so unwesentlich nach unten abweicht, dass die Abweichung nach fünf Jahren mit bloßem Auge kaum sichtbar ist und dass diese Wertentwicklung (folgt man der Grafik) zudem völlig schwankungsfrei verläuft, darf wohl als krasse Fehlberatung eingestuft werden, die dann zu gegebener Zeit dadurch erklärt wird, dass auch eine Wahrscheinlichkeit von 2,5% noch viel wahrscheinlicher ist als der berühmte Sechser im Lotto. Ob der Kunde das von vorneherein so verstanden hat? Wir würden die Wahrscheinlichkeit des schlechtesten Falls jedoch eher nahe 100% einordnen und hinzufügen, dass es natürlich noch viel schlechter kommen könnte.

Solche Konkurrenz ist übrigens keine wirklich neue Erfindung. Schon vor zehn Jahren wurden übers Internet - wenngleich damals noch beworben in Print-Medien - Depotchecks angeboten, die in eine Markowitz-Optimierung entlang der (in der Realität meist nicht wieder zu findenden) Effizienzlinie mündeten. Den wirklichen Fortschritt gegenüber dem damaligen Vorgehen sehen wir vor allem in der Möglichkeit, nun den Depotantrag online erstellen zu können. Ansonsten sind FinTechs nichts Neues sondern nur eine neue Wortkreation, die mediale Aufmerksamkeit erregt, welche Unternehmen wie Onvista, comdirect und vielen anderen seit vielen Jahren agierenden Onlineanbietern zunächst versagt blieb. Also wird sich die Gruppe der Selbstentscheider, die schon seit Jahren (oder vielleicht noch nie) eine Bankfiliale von innen gesehen hat, vorerst auf mehr Anbieter verteilen, von denen viele auf der Strecke bleiben dürften. Wachstum könnte sich vor allem daraus herleiten, dass man gerne auch fünf oder zehn Depots eröffnet, wenn es sowieso nichts kostet. Mit dem oben gezeigten FinTech-Angebot konnte übrigens zum einjährigen Jubiläum stolz verkündet werden, dass bereits 750 Depots eröffnet wurden. Deren durchschnittliches Volumen lag jedoch nur bei 13.333 Euro - Erfolg sieht für unsere Begriffe anders aus.

Unsere Einschätzung: FinTechs werden weiter von sich reden machen und sie werden auch die Bankenlandschaft und die Beratung verändern. Den Erfolg sehen wir jedoch eher in der Unterstützung des Beratungsprozesses als in seiner Eliminierung. Noch ein letztes Beispiel: Computer arbeiten nach Algorithmen. Wenn bspw. die Top-Fonds (in unserem rechts gezeigten Beispiel über fünf Jahre) tagesaktuell ausgewiesen werden, so führt dies per se schon mal nicht dazu, dass damit die besten Fonds identifiziert sind (es könnten schon in kurzer Zeit die Flop-Fonds sein).

Ob bspw. der Anlageinteressent "Otto Normalverbraucher" in der Lage ist, sich die Information über das Anlagekonzept, das Risikomanagement, Vergangenheitsentwicklungen nebst Einschätzung der Zukunftstauglichkeit in einem völlig veränderten Marktumfeld etc. zu beschaffen und diese auch richtig einzuschätzen, mag getrost bezweifelt werden. Anleger, die mühelos herausfinden, dass bspw. der Zweitplatzierte in der nebenstehenden Übersicht erst Anfang März dieses Jahres erstmals (!) überhaupt in seiner Geschichte seinen Ausgabepreis bei Fondsauflage vom 06.11.2000 übertreffen konnte, gehörten auch bislang nicht zur Zielgruppe des Finanzanlageberaters und können ihm deshalb auch nicht abspenstig gemacht werden.

Anlageinteressenten, die sich - unkritisch bzw. unwissend - doch dazu verleiten lassen, einen der aufgeführen Top-Fonds in ihr Depot aufzunehmen, werden viele Depots eröffnen müssen, um festzustellen, dass alle fünf Fonds für den öffentlichen Vertrieb oder teilweise selbst institutionellen Anlegern gar nicht zur Verfügung stehen, soweit sie nicht zum elitären Kreis einer bestimmten Gesellschaft gehören oder zumindest beste Beziehungen dorthin haben.

Fazit: Es fehlt eher an gut ausgebildetem Nachwuchs für Versicherungs- und Finanzanlageberatung als dass diese demnächst überflüssig werden, weil Robo-Advice den Markt erobert.

Übrigens: Im nahegelegenen Buchladen laufen die Geschäfte bestens, obwohl man dort weder einen Kindle noch einen Tablet-PC im Angebot hat. Kinder und Erwachsene lieben es einfach, wenn ein versierter und passionierter Buchhändler schon nach wenigen Fragen einschätzen kann, welche Bücher den jeweiligen Leser wohl begeistern könnten, zumal der Stammkunde für passende Empfehlungen gar kein erneutes Beratungsgespräch mehr benötigt. Computer müssen noch viel "lernen", ehe sie auch nur ansatzweise so weit sind.