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Pimco-Chef Bill Gross rät seinen Anlegern in seinem aktuellen Monatsausblick, dagegen zu wetten, dass der US-Leitzins bis Ende 2015 um 1% steigen werde. Er gehe vielmehr davon aus, dass die Zinsen noch lange Zeit so niedrig bleiben, wie sie sind. Seine Anleger scheinen derlei Marktprophezeiungen jedoch nicht unisono zu teilen. Im nunmehr fünften Monat in Folge zugen sie Gelder ab.

Der mit rund zwei Billionen US Dollar weltgrößte Anleihenfonds verlor in nur fünf Monaten Anlagegelder in Höhe von knapp 39 Milliarden US Dollar. In entsprechender Höhe muss der Fonds übrigens Anleihen auf den Markt werden, was bestimmt nicht dazu beitragen wird, dass die Anleihenrendite sinkt. Allerdings spricht Bill Gross ja auch keinesfalls davon, dass die Zinsen sinken werden, was ja nach dem Renditeanstieg zur Jahresmitte durchaus auch eine Wett-Option wäre. Manche fragen bereits, ob Bill Gross, der die US-Zinsentwicklung vor gar nicht langer Zeit schon einmal falsch eingeschätzt hatte, schon Kontraindikator-Qualitäten hat.

Aber die steigenden Zinsen (bzw. die steigenden Renditen, denn die Zinsen sind ja nicht gestiegen sondern die Anleihenkurse sind gefallen)  nach der ersten - zwischenzeitlich dann vorerst wieder dementierten - Tapering-Ankündigung hat ja nun eindrucksvoll gezeigt, dass es zu einem Renditeanstieg (und damit einhergehendem Kursverlust) von Anleihen nicht unbedingt einer Anhebung der Leitzinsen bedarf. Sind mehr Verkäufer als Käufer für Anleihen im Markt, so kann das notwendige Marktgleichgewicht nur hergestellt werden, wenn die Verkäufer ihre Preisforderungen (sprich: Anleihenkurse) reduzieren, damit sie ihre Anleihen loswerden. Es gibt die Situation "mehr Verkäufer als Käufer" nämlich tatsächlich gar nicht, da ja niemals mehr verkauft werden kann als gekauft wird.

Forschen wir doch nur mal im deutschsprachigen Raum (D-A-CH) nach. Das Volumen von Rentenfonds hat sich ausweislich der Statistik von Finance & Ethics Research in den letzten vier Jahren um 400 Milliarden Euro erhöht und damit glatt verdoppelt. Selbst in den letzten 12 Monaten gab es noch Nettomittelzuflüsse von mehr als 62 Milliarden Euro in Rentenfonds, obwohl hier ja bereits die Abflüsse seit Mitte Mai saldiert sind.

Was, wenn auf einmal viele Anleger wieder verkaufen wollen? Es bedarf dann gewiss keiner Leitzinserhöhung, um steigende Renditen (und damit fallende Anleihenkurse) zu sehen. Gründe, warum Anleger verunsichert werden könnten, liegen viele auf der Hand, was nicht ausschließt, dass auch Unvorhergesehenes (dies ist ja eigentlich die Regel) passieren könnte, um eine Verkaufswelle wie in Folge der Lehman-Pleite auszulösen. Bei Rik-off-Modus werden natürlich in erster Linie die risikoreicheren Anleihen unter die Räder kommen. Hochzinsanleihen von Unternehmen aus der zweiten Reihe, Schwellenländeranleihen (insbesosondere in Lokalwährung) und Staatsanleihen mit schlechterem Rating.

Ob es tatsächlich so kommt? Nichts ist heutzutage gewiss, jedoch hat die Geschwindigkeit, mit der heutzutage Anleger auf neue Herausforderungen reagieren können, eine bislang nie realisierte Dimension erreicht, die uns noch manche neue Lektion zu den Lehrbüchern hinzufügen lassen wird. Für Privatanleger, die für gewöhnlich längst nicht so schnell reagieren (können) und die deshalb den Entwicklungen stets hinterherhecheln, ist es deshalb von großer Bedeutung, ob sie bspw. einen Schwellenländeranleihenfonds in Lokalwährung im Depot haben oder einen flexiblen Mischfonds, der auch auf Schwellenländeranleihen in Lokalwährung setzen kann. Denn der Fondsmanager wird in aller Regel sicherlich schneller reagieren als der Anleger, der zunächst einmal die Entscheidung, seinen Fonds zu verkaufen, treffen muss, ehe er ihn dann - ggfs. noch mit ein oder zwei Tagen Verzögerung - tatsächlich verkauft bekommt.

Die Anlagewelt ist komplexer geworden. Neben den inzwischen hinreichend bekannten Kontraindikatoren gibt es längst die Kontraindikatoren zur Kontraindikation. Damit weiß man nun, dass es nicht nur darum geht, ob Bill Gross Recht hat oder nicht, weil es nämlich vielleicht auch ganz anders kommt. Nur wer sein Depot mit langfristig erfolgreichen Fonds bestückt, die mit unterschiedlichen Konzepten in verschiedenen Szenarien mehr oder weniger erfolgreich sein können, ist gut gewappnet.